Auf dem diesjährigen „Männergesundheitskongress“, veranstaltet von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) am 14.04.2015 in Berlin, kamen überraschende Tatsachen ans Tageslicht: Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) wies bereits vorab darauf hin, dass psychische Erkrankungen bei Männern sehr viel seltener erkannt und durchgreifend therapiert werden als etwa bei Frauen.
Innerhalb eines Jahres werden bei 10 Prozent aller Frauen, jedoch nur bei 5 Prozent der männlichen Bevölkerung beispielsweise Depressionen diagnostiziert. Suchterkrankungen oder Suizidgefährdung dagegen sind bei Männern wesentlich häufiger anzutreffen.
Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Depressionen bei Männern häufig schlichtweg nicht erkannt und somit auch nicht rechtzeitig wirksam behandelt werden können. Viele Symptome sind ganz offensichtlich geschlechterspezifisch und können selbst Experten in die Irre führen.
Wesentliche Verhaltens- und Reaktionsunterschiede bei Männern und Frauen im Falle einer psychischen Erkrankung verhindern offenbar entscheidende Diagnosen. Schwermut, Grübeln, ein völliger Rückzug aus dem sozialen Umfeld, dazu ein Mangel an Antrieb und Niedergeschlagenheit sind keine allgemeinen, sondern wohl überwiegend „weibliche“ Anzeichen für eine vorliegende Depression.
„Typisch Mann“ ist dagegen ein Verhalten, das Männer zu übermenschlichen Kraftanstrengungen treibt, um seelische Not so gut und so lange wie möglich zu verbergen und weiter „zu funktionieren“. Entsprechend häufiger treten dagegen psychosomatische Symptome auf.
Oft verwirrend für die Angehörigen sind bei Männern Verhaltensweisen wie extreme Reizbarkeit bis hin zu Wutanfällen und Aggressivität, dazu hohe Irritabilität. Alles in allem ziehen sich depressive Männer weniger stark zurück als Frauen, verhalten sich dafür aber zunehmend antisozial. Identifiziert und erklärt wird das Verhalten dann von der Umgebung eher als „typische Stress-Reaktion“, die mit hohem Leistungsdruck erklärt wird, während in Wahrheit bereits eine massive Depression vorliegt, die dringend der Behandlung bedürfte.
Auch aus dem Blickwinkel des Gesundheitswesens wird bei Frauen vermehrt auf die Psyche geachtet. Bei Männern steht nach wie vor mehr die physische Verfassung im Vordergrund.
Doch ungeachtet des männlichen Wunsch-Selbstbildes in der Gesellschaft existieren durchaus genügend Stress- und Belastungsfaktoren, um Männer ebenso oft wie Frauen zum Opfer psychischer Erkrankungen werden zu lassen.
Noch immer identifizieren sich Männer ganz besonders über ihre Leistung im Beruf: Steigen hier die Belastungen, bleibt ein Erfolg aus oder droht beispielsweise sogar ein Jobverlust, kann dies zu Gesundheitsrisiken und massiven Lebenskrisen führen. Und noch immer werden insbesondere Männer mit psychosozialen Erkrankungen zum Teil gesellschaftlich ausgegrenzt, Symptome dementsprechend von den Betroffenen möglichst lange ignoriert, unterbewertet oder verdrängt.
Doch auch von ärztlicher Seite steht offenbar für Männer bislang nur ein beschränktes Diagnose-Instrumentarium in diesem Bereich zur Verfügung. Längst ist daher eine Überarbeitung der Untersuchungs-Parameter fällig, was die speziell männliche Psychopathologie und Psychodynamik betrifft, so die Forderung der DGPPN-Präsidentin Iris Hauth. Im Zentrum des diesjährigen Männergesundheitskongresses stand daher diesmal besonders die psychische Gesundheit von Männern in der Lebenslaufperspektive.
aktualisiert am 12.05.2015